Das Metier des Edelsteinsachverständigen | DE

Das Metier des Juweliers ist eines der ältesten der Welt, ich sage nicht DAS älteste. Aber lassen Sie mich hinzufügen, dass diese Einschränkung genau so alt ist wie die Herstellung von Schmuckstücken und der Handel mit kostbaren Steinen.
Zu allen Zeiten hat der Mensch versucht diese zu imitieren, zu fälschen oder zu ergaunern.

Kupfer oder Pyrit, auch Katzengold genannt, wurden verwendet um gutgläubige Menschen zu betrügen. Gefärbtes Glas wurde als Imitation von Rubin, Saphir oder Smaragd verkauft. Quarz oder Zirkonium um einen Diamanten zu imitieren. Im Mittelalter war es innerhalb der Mauern der Stadt Antwerpen verboten, Spinelle, Diamanten und Smaragde zu verkaufen.
 
Bekanntmachungen an den Stadtmauern kündigten fremden Besuchern an, dass diejenigen, die beim Betrug erwischt würden, zu einer Geldstrafe über 25 Heller verurteilt würden. Ein Drittel davon ging an die Stadt, eine Drittel für den Herrn (die Kirche) und ein Drittel für den Denunzianten. Das im Jahre 1470!
 
Ein Edelsteingutachter wurde seit grauer Zeit schon mit Imitationen konfrontiert; diese Imitation war entweder aus Glas oder aus anderen billigen, farbigen Steinen (die man zu Unrecht Halbedelsteine nennt) oder sogar aus Mineralien. Als Grundmaterial reichten eine Lupe und eine Waage aus, um diese zu erkennen, aber seit Ende des 19. Jahrhunderts treten synthetische, farbige Steine auf dem Markt auf. Im Jahre 1880 hat Verneuil, der erste Hersteller von Rubinen und Saphiren den berühmten Genfer Rubin auf einer Basis von Korund Pulver, also aus Rubin, hergestellt, was zu einer Panik auf dem Edelsteinmarkt führte. Die Zeitungen der Epoche verkündeten das Ende des kostbaren Rubins und den endgültigen Zusammenbruch der Preise.
 
Glücklichweise hat die synthetische Herstellung durch Verneuil, dessen Beispiel französische, russische, amerikanische und japanische Hersteller folgten, keinen Einfluss auf seinen Wert gehabt. Im vergangenen Jahr wurde ein Rubin von 8 Karat für mehr als 245.000$ pro Karat verkauft. Synthetische Steine werden zurzeit im Modeschmuckbereich oder ganz einfach als Betrugsmittel verwendet. Proben eines jeden Herstellers werden von gemmologischen Instituten für ihre Kurse oder als zu knackende Nuss in Prüfungen am Ende der Ausbildung verwendet.
 
Unglücklicherweise hat die Entwicklung von Spitzentechnologien zu neuen synthetischen Stoffen und Manipulationen geführt, die sehr viel schwerer zu erkennen sind.
 
Den Diamanten glaubte man von allem ausgeschlossen, doch auch er wird seit den 1950ern künstlich hergestellt. Zuerst als Pulver und in Konform für die Industrie, aber seit dem Ende des vergangenen Jahrhunderts auch in Juwelierqualität. Als Folge der spektakulären technologischen Entwicklungen am Ende des 20. Jahrhunderts ist es gelungen, einen synthetischen Diamanten herzu-stellen, der über Edelsteinqualität für den Schmuckbereich verfügt. Zu diesem Zweck wird Hochdruck- und Hochtemperaturtechnologie, die man als HPHT bezeichnet, eingesetzt.
 
Um Diamanten zu erschaffen, imitiert man den natürlichen Prozess dort, wo sich Diamanten in einer Tiefe von ungefähr 200 km bilden, in einer apokalyptischen Umgebung mit Temperaturen in der Nähe von 1000°C und einem Druck von ungefähr 70.000 kg oder etwa 700 Gigapascal. Die Anlagen von General Elektrik und De Beers haben die Ausmaße eines Gebäudes über 2 bis 3 Etagen; derzeit erinnern diese Pressen an übergroße Waschmaschinen.
 
Außerdem steht noch die Technologie der 90er Jahre zur Verfügung, das ist der CVD oder Chemical Vapor Deposition (Gasabscheideprozess), bei dem Methangase, also Kohlenstoffe mit Hilfe von Mikrowellen in ein Plasma verwandelt werden und so einen « Tau » erschaffen, der sich auf einem Substrat niederschlägt. Auf diese Weise entsteht ganz langsam, Schicht für Schicht, ein Diamant.
 
Der Diamant ist kristallisierter Kohlenstoff, der Kohlenstoff kommt in der Natur sehr häufig vor und ist außerdem ein essentieller Baustoff unseres Körpers. Ein Bestattungsunternehmer aus Chicago hat die geniale Idee gehabt, die Asche eines verstorbenen, eingeäscherten Mannes durch eine Druckanlage zu schicken, um dann nach einigen Monaten der untröstlichen Ehegattin einen schönen Diamanten von ungefähr einem Karat zu präsentieren.
 
Diese Operation hatte einen derartigen Erfolg, dass es in der gekühlten Leichenhalle eine Warteliste von mehreren Monaten gibt, bis es zur Verdichtungsanlage weitergeht. Übrigens hat das Unternehmen eine Filiale in Holland eröffnet. Im Mittelalter war ein Gutachten über einen Diamanten rudimentär: man legte ihn auf einen Amboss und mit einem schweren Hammer, schlug man mit großer Kraft auf ihn ein; und wenn der Hammer zurücksprang handelte es sich um einen Diamanten, wenn er zerbrach, war es nur eine Imitation. Auf diese Weise wurden viele Diamanten zerschmettert, denn auch ein Diamant verfügt über Bereiche mit Spalten, die gemeinhin genutzt wurden, um den Diamanten in mehrere Teile aufzuspalten, diese Technik wird unter anderen durch den Diamantschleifer angewendet, um den Stein von Verunreinigungen zu befreien.
 
Für den Edelsteingutachter ist die Technik de visu et de tactu nicht mehr möglich. Dort wo der damalige Experte die kostbaren Steine durch Berühren unterscheiden und erkennen konnte, ob es sich um einen glatten, weichen oder kalten, einen warmen Stein, einen leichten oder einen weniger „fetten“ handelte, immer gab es eine Möglichkeit diese zu unterscheiden.
 
Seit ein paar Jahrzehnten reicht es nicht mehr aus, nur die Einschlüsse zu studieren, ein Edelsteinexperte muss auf Labore mit entsprechendem Material zurückgreifen. Die Grundausstattung eines Gemmologen im vergangenen Jahrhundert bestand aus einer Karat Waage mit einer Genauigkeit von einem tausendstel Karat, einer hydrostatischen Waage, einem binokularen und einem binohorizontalen Mikroskop, dem Refraktometer, dem Dichroskop, dem Handspektroskop, dem Polariskop, dem Geigerzähler und dem Chelsea-Filter. Heutzutage benötigt man mindestens ein elektronisches Spektroskop mit integriertem Kugelanalysator für eine visuelle Prüfung, wenn möglich eher im Ultra-violett- oder Infrarot-Bereich. Das elektronische Refraktometer, ein Sensor für thermische Leitfähigkeit und ein elektronisches Reflektometer – das alles ist nur eine Grundausstattung an Instrumenten.
 
Fügen wir noch ein Endoskop und die damit verbundene Durchlässigkeit von Röntgenstahlen bei Perlen hinzu. Die Spektroskopie mit Raman-Effekt ist in bestimmten Fällen unentbehrlich geworden, genau wie auch die RMN-Technologie und die Diffraktion von Röntgenstrahlen. Manchmal haben wir auf das Elektronen-mikroskop zurückgegriffen, auf die Kathodolumineszenz oder die Fluoreszenz in Röntgenstahlen. Diese Instrumente sind für das Portemonnaie des Experten heute nicht mehr erschwinglich, deshalb bekommt er Unterstützung von den Universitäten. Was die RMN, die nukleare magnetische Resonanz oder die RPE, die paramagnetische elektronische Resonanz betrifft, so sind diese, obwohl sie weit weniger benutzt werden, Hilfsmittel um natürliche Steine von synthetischen zu unterscheiden, zum Beispiel bei einem Smaragden, wo die Breite der Linien, die Enstpannungszeiten, die Verbindungen der Atome und Unreinheiten bei natürlichen Steinen und synthetischen unterschiedlich ausfallen.
 
Sagen wir einfach, dass diese Technik es uns auch ermöglicht festzustellen, ob die Einschlüsse protogenetischer, synegenetischer oder epigenetischer Natur sind. Die elektronische Mikrosonde wird zur chemischen Analyse von sehr kleinen festen Proben verwendet. Ein Konzentrat eines Strahls von ungefähr 1 Mikron Elektronen wird auf die flache, geschliffene Oberfläche des Edelsteins gerichtet. Diese Elektronen mit hoher Energie ionisieren die inneren Schichten des Zielelements in der Probe.
 
Die Zersetzung der Ergebnisse der ionisierten Zustände ist charakteristisch für die Emission mit Röntgenstrahlen. Die Spektroskopie LIBS ist eine Technik, die ausgeht von der Emission von Plasma, das per Laser induziert wird. LIBS bedeutet "Laser-Induced Breakdown Spectroscopy". Diese Methode der Spektroskopie basierend auf atomarer Emission gründet auf der Feststellung eines UV-Bereiches – sichtbar über das Spektrum, das durch ein Plasma erzeugt wird, das durch einen Laserimpuls emittiert wird.
 
Sie findet Anwendung in der Grundanalyse in allen Arten von Umgebungen: feste, flüssige oder gasartige: unsere Forschungen umfassen ausschließlich die Analyse von festen Stoffen oder genauer gesagt Edelsteine und deren Einschlüsse, die wiederum fest, flüssig oder gasartig sein können. Labore an Universitäten unterstützen uns mit der SIMS oder Secondary Ion Mass Spectroscopie oder auch mit der LA-ICP-MS oder mit Laser Ablation Inductively Coupled Plasma Mass Spektroskopie, Instrumente die eine sehr spezifische wissen-schaftliche Ausbildung erfordern.
 
Ein Gemmologe ist vergleichbar mit Gendarm und Dieb, und, obwohl der Dieb einen großen Vorsprung hat, gelingt es dem Gendarmen immer ihn zu fangen. Das größere Problem ist, dass solche Betrügereien immer mit beträchtlichen Geldbeträgen zu tun haben.
 
Vor allem exotische Märkte, auf denen keine Berufsethik herrscht, sind die gefährlichsten, selbst der professionelle Händler guten Glaubens lässt sich von Zeit zu Zeit in die Falle locken. Manipulierte oder synthetische Steine werden mit Partien natürlicher Steine vermischt, das gilt gleichermaßen für unbearbeitete als auch für geschliffene Steine.
 
Wie viele « gelackmeierte » Touristen sind schon zu mir gekommen mit wunderbaren Rubinen und Saphiren, die sie für hohe Summen mit Echtheitszertifikaten erworben hatten und dann feststellen mussten, dass es sich um synthetische Steine ohne jeden Wert handelte.
 
Wenn auch ein Großteil unserer Arbeit darin besteht zu bewerten und die Echtheit zu bestimmen, so begegnen wir manchmal auch einzigartigen historischen Stücken und sogar Naturwundern. Historische Schmuckstücke mit Diamanten alten Zuschnitts, außergewöhnliche Rubine wie der « Black Prince » in den englischen Kronjuwelen, der sich als Spinell herausstellte.
 
Ich persönlich stand einer Sammlung von etwa 10 Fabergé-Eiern gegenüber, wie auch Naturwundern wie kolumbianischen Smaragden in kaiserlichen Juwelen. Einem Diamanten mit Brillantschliff von 70 Karat in apfelgrün, den ich bewerten musste, der dem König Farouk gehört hatte, der berühmte Lalqila, der nun im Tresor eines Finanzkonzerns schlummert.
 
Juwelen aus dem 17. und 18. Jahrhundert treten ans Tageslicht aus privaten Schmucksammlungen, unter denen wir unter anderem das Coeur de Flandres (Das Herz von Flandern) entdeckt haben, fein in Silber gearbeitet und ziseliert, gefasst mit Diamanten mit Rosenschliff. Eine Besonderheit des Stückes ist die rückwärtige Seite, die vergoldet ist, damit das Silber nicht die Kleidung verschmutzt.
 
Im Rahmen von gerichtlichen Schmuckgutachten geht es grundsätzlich um Betrügereien, Diebereien, den Verkauf von falschen Steinen, manipulierte oder synthetische Steine, sogar um gefälschte Echtheitszertifikate. Steine werden mit Hilfe lügnerischer Werbung zu astronomischen Summen verkauft, oder man entdeckt wertvolle Steine, die bei illegalen Einfuhren aufgedeckt werden. Großvolumige Partien, über die eine Garantie ausgestellt wurde, stellen sich im Nachhinein als ohne jeglichen Wert heraus. Rubine, Saphire, Smaragde, die zu tausendfach höheren Preisen angeboten werden, als die, die normalerweise gelten. Das Problem liegt darin, dass Betrügereien in diesem Bereich schnell bei Unsummen enden.
 
Wir werden konfrontiert mit falschen Echtheits-zertifikaten mit gefälschten Siegeln, falschen Herkunftsdokumenten, faschen Zolldokumenten und so weiter. Außerdem haben wir zu tun mit Teilungen, bedingt durch einen Todesfall oder eine Scheidung, wo wir eine Bewertung des Vermögens in einer manchmal sehr diffizilen Situation vornehmen müssen. Man öffnet den Tresor in Gegenwart eines Rechtsanwalts und des Notars. Wenn dieser dann leer ist, ist die Reaktion der düpierten Person oft sehr lebhaft und wird begleitet von allerlei Beschimpfungen, mit Begriffen meist aus dem tierischen Bereich.
 
Die Stimmung kann schon einmal aggressiv werden, das geht soweit, dass der Notar in Abstimmung mit dem Rechtsanwalt eine Beschlagnahme von Hieb-, Stich- und auch Schusswaffen vornimmt. Manchmal werden wir auch konfrontiert mit Gutachten infolge eines Diebstahls mit oder ohne Anzeichen eines Einbruchs oder auch mit Raubüberfällen. Nach der Traumatisierung durch diese Anschläge wird der Juwelier mit Versicherungen konfrontiert, die versuchen sich aus der Affäre zu ziehen; in diesem Moment tritt der Gutachter als Helfer des Opfers auf.
 
Doch besonders auffällig sind Fälschungen im Goldbereich, sei es für Schmuckstücke mit Feingehalten niedriger als die Stempelung, oder mit Schmuckstücken, die nur mit einer Schicht von 1 oder 2 Mikron Gold überzogen sind, oder schlimmer noch, nur aus überzogenem Kupfer bestehen. Bleibarren werden mit einer Lage Gold beschichtet, oder es handelt sich um einfache Kupfer- oder Messingbarren, die mit 0,999 durch sogenannte Schweizer Banken gestempelt sind oder auch exotischer Herkunft, all das ist nicht ungewöhnlich. Es gibt Schmuckstücke aus dem Fernen Osten, die Nickel enthalten (in Europa verboten) oder mit Golddampf mit einer Dicke von weniger als einem Mirkon bedampft wurden, der dann nach einigen Wochen verschwindet, all das ist gang und gäbe. Der Gutachter oder der gemmologische Berater ist oft mit einer Mission außerhalb unserer Grenzen beauftragt, entweder bei Bewertungen und Gutachten von Lagerbeständen von Filialen in der Schweiz, in den Vereinigten Staaten oder im Fernen Osten, entweder im Rahmen von Gutachten, hinsichtlich der Rentabilität oder der Produktion von Minen in afrikanischen Ländern, im Fernen Osten oder in Brasilien, oder auch für Edelsteinschleifereien um dort die Produktion oder die Endbehandlung zu verbessern.
 
Manche Länder möchten gern bestimmte Einheitsgrößen für Steine einführen, sei es für den Diamanten, sie es bei Edelsteinen, um auf diese Weise einen Mehrwert für ihr Exporte zu erzielen, in diesem Fall handelt es sich dann um einen Technologietransfer, der eine Rentabilitätsstudie, eine Investition in die Infrastruktur und die Ausbildung von Personal umfasst.
 
Diese Reisen in exotische Länder bringen meist einen Zuwachs an Erfahrungen mit sich, die manchmal angenehmer und manchmal unangenehmer Art sind und Material für so manche Anekdote in sich bergen. Man muss berücksichtigen, dass man unter oft schwierigen Bedingungen in einer unfreundlichen Umgebung tätig wird, großer Hitze und Insekten jeglicher Art und Größe ausgesetzt ist. Zufallsbedingte Transportmittel und minimale hygienische Bedingungen, gar nicht zu reden von der Verpflegung, die für einen europäischen Magen oft toxisch ist. Dagegen hilft als einzige Lösung ein Arsenal von Impfstoffen und Desinfektionsmitteln, innerlich muss man sich mit Whiskey desinfizieren, was in islamischen Ländern oft ein Problem ist.
 
Aus diesem Grund muss der Gemmologe neben seinem Koffer mit der Grundausstattung für die Gemmologie einen « Überlebenskoffer » mit sich führen, das berühmte « Survival Kit » mit sämtlichen pharmazeutischen Produkten von erster Dringlichkeit wie auch einem Satellitentelefon. Sich auf einer einsamen Piste Auge in Auge mit einem Büffel, der ein riesiges Tier ist, wieder zu finden ist ein Ereignis, dass einem den Atem stocken lässt. Zum ersten Mal das Heulen und die Schreie des nächtlichen Dschungels zu hören, lässt das Blut zu Eis gefrieren, obwohl man sich später daran gewöhnt.
 
Auch die Besuche mit Armeeeskorte sind in bestimmten Fällen sicherlich kein Luxus. Jedoch bin ich niemals auf mangelnde Gastfreundschaft gestoßen, nicht einmal in den aller wildesten Regionen. Denn diese Missionen, die wir ausführen, hauptsächlich für die Weltbank, gehen immer einher mit der Entwicklung des Landes und der Region. Und so handelt es sich trotz allem um ein fesselndes Metier.